Kaum ein Stadtteil fasst die Widersprüche Frankfurts so perfekt zusammen wie das Bahnhofsviertel. Luxussanierte Altbauten und bröckelnder Putz, elegante Galerien und Grafittis, Fixerstuben und Banker, die sich fünf Meter weiter zum Afterwork treffen. Frankfurts kleinster Stadtteil. Und doch ist zwischen Hauptbahnhof und Bankenviertel fast die ganze Welt zu Hause. Hier mischen sich Kulturen, Biografien und die Küchen der Welt. An keinem anderen Ort wirkt Frankfurt weltstädtischer.
„Das besondere am Bahnhofsviertel ist, dass es zu jeder Tageszeit anders ist“, sagt James Ardinast, der mit seinem Bruder David inzwischen viele gastronomische Konzepte im Viertel hochgezogen hat. „Ima Multibar“ tauften die beiden ihr erstes gemeinsames Baby. IMA Kitchen war eine der ersten Burger-Bratereien der Stadt. Heute betreiben sie drei Restaurants, organisieren außerdem Events und Partys.
Mit wem könnte man sich also besser auf eine Tour durch die Food- und Barszene des Bahnhofsviertels machen. Als die Brüder anfingen, wehte hier noch ein ganz anderer Wind durch das Viertel. Nicht nur exotische Lebensmittelläden Trinkhallen und Kioske, sondern vor allem auch Drogen, Sex und Glücksspiel waren hier zu Hause. Seit die Stadt den Wohnraum im Bahnhofsviertel fördert, sich hippe Bars und Hotel angesiedelt haben, hat sich viel verändert“, erzählt uns James.
Wir treffen uns mit James und seinem Team im Stanley Diamond, einem Ort für nicht abgehobene Gourmetküche. Hausmannskost trifft feine Aromen, klassische Rezepte werden neu und urban interpretiert. Ein Großteil der Lebensmittel stammen aus der Region, dazu werden Naturweine und Drinks serviert. Das Schöne, trotz des gehobenen Ambiente gilt, „come as you are“.
Von hier sind es nur wenige Minuten zum 25Hours. Das Hotel befindet sich gerade im Umbau, aus „Levi’s” wird „The Trip“, auch das alte Chez IMA und die legendären Rooftoppartys wird es dann nicht mehr geben. Zur Neueröffnung im September wollen James und David das Konzept des Chez IMA weiterentwickeln. Unter dem Namen Bar Shuka gibt es dann israelisches Soulfood. Ein besonderers Highlight wird die angeschlossene Sake-Bar sein.
Unterwegs stoppen wir Ecke Elbestraße und Münchener Straße im Plank. Tagsüber Café mit gutem Kaffee und selbstgemachtem Kuchen, abends hippe Bar mit leckeren Drinks. Wände und Boden sind im minimalistisch Schwarz gehalten. Die Dichte an Hipsterbärten ist rekordverdächtig hoch. Um einen Platz zu ergattern, braucht man auf jeden Fall ein bisschen Glück – oder man stellt sich wie der Großteil der Gäste einfach gleich auf die Straße.
Auch das Yok Yok, der Kiosk direkt nebenan, ist Kult. Nachtschwärmer, Studenten und Berater mit Rollköfferchen stehen vor der Türe und genießen eines der 300 Biere, die Besitzer Nazim im Angebot hat. Sogar die eigene Bier- und Wodkamarke findet ich in den brummenden Kühlschränken. Gerade in den Sommermonaten erlebt die Münchener Straße an dieser Ecke südeuropäische Nächte.
Eine Kreuzung weiter haben die Ardinast-Brüder zusammen mit einem Freund das Maxie Eisen eröffnet, benannt nach einem Chicagoer Mafiaboss. Auf der Karte stehen original Pastrami, an deren Rezeptur und Qualität mehrere Jahre gearbeitet wurde, Pulled Pork und Chicken Wings. Doch das Maxie Eisen ist auch eine richtig gute Bar. Barchef Oli ist vor allem stolz auf seinen Margarita-Kreationen. Unbedingt probieren solltet Ihr „The Münchenerstraße“, in der sich die exotischen Düfte und Geschmäcker der umliegenden Lebensmittelläden und Restaurants vereinen.
Zum einfachen und schnellen Mittagessen empfiehlt James, natürlich neben seinen eigenen Gastro-Konzepten, das Hamsilos & Schencks, in dem preisgünstige und frische Fischgerichte angeboten werden oder Nuy’s Thai Imbiss Pattaya, einen der authentischsten und leckersten Thai des Viertels.
Als nächstes steht die Kinly Bar auf der Liste. Gegenüber der alten Pik Dame gehen gelangweilt die Damen auf und ab, hinter einer unscheinbaren schwarzen Türe verbirgt sich eine der besten Bars der Stadt. Die Karte ist keine Liste gängiger Cocktails. Hinter den Eigenkreationen verbergen sich aber mehr als überzeugende Drinks.
Letzter Stop ist das AMP, einer Cafe-Bar, dem jüngsten Werk von DJ Ata, einer Legende des Frankfurter Nachtlebens, der auch hinter dem Robert Johnson steckt und ebenfalls zu den Pionieren des Bahnhofsviertel gehört. Mehr Club als Café wird hier regelmäßig aufgelegt und im Sommer sammeln sich Menschenmassen vor der Türe, um bei ein, zwei Drinks den elektronischen Beats zu lauschen.
No Comments